Andachten und Gottesdienste in der Zeit von Corona

Angst Wut Enttäuschung

Ja, viele Menschen haben Angst. Angst um die Gesundheit ihrer Kinder, ihrer Eltern, Großeltern, Freunde, auch um die eigene Gesundheit. Ich habe auch Angst, dass unsere Medizin nicht mehr alle ernsthaft Erkrankten beatmen kann. Und Angst vor den wirtschaftlichen Folgen dieser nicht absehbaren Krise. Es tut gut, sich dies eingestehen zu können, dieses zuzugeben. Vor Gott ist das nicht so schwer, er schaut uns sowieso ins Herz und weiß, was mit uns los ist. Er hat uns längst mit unserer Angst angenommen. Vor den Menschen fällt das schwerer. Da wird vieles überspielt, man will das alles nicht wirklich nicht wahrhaben. Diese Angst kann sich auch in Aktionismus oder gar Panik zeigen. Angst ist letztendlich etwas zutiefst Menschliches, wir dürfen sie zulassen. Ja, ich habe Angst. Das befreit.

Auch Wut gehört jetzt zum Alltag. Wer kennt sie in diesen Tagen nicht? Wut auf diejenigen, die mir alle meine Aktivitäten verbieten und meine Existenz gefährden. Wut auf diejenigen, die jetzt noch mit vielen Menschen Partys feiern und das Virus ungebremst weitergeben. Wut auf Kollegen, die einen anderen Blick haben, ja sogar eine latente Aggressivität gegen den Partner, die Partnerin, die Kinder, Großeltern, die mit uns leben. Wo fast alles verboten ist, staut und stockt es sich in uns. Das ist normal. Wut in Klage umwandeln, das kann helfen. Lernen wir wieder geordnet zu klagen, wir haben jetzt ganz viele Gründe dazu. Klagen wir an, aber nicht unsere Mitmenschen, sondern Gott. Wenn er der Schöpfer und Bewahrer von allem ist, dann wenden wir uns an ihn. Die Bibel, die Psalmen sind voller Klagen gegen Gott. Wer klagt, der betet, denn er ist bereits in einem Gespräch mit Gott.

Und dann macht sich Enttäuschung breit. Das neue Jahrzehnt hatte so schön begonnen und dann dies. Wir sind schon jetzt alle materiell ärmer geworden. Pläne sind längst auf Eis gelegt oder zunichte gemacht. Die Enttäuschung sitzt. Sie sitzt tief. Passen wir auf, dass wir nicht depressiv werden. Achten wir im Homeoffice und Quarantäne auch auf äußere Dinge, auf Essen und Bewegung, Körperpflege und Gespräche. Rufen wir andere an, melden uns über die digitalen Medien. Doch vor allem brauchen wir innere Nahrung, Spiritualität. Beenden wir immer wieder das Schauen auf die Corona-App, greifen wir zum Gesangbuch, halten wir Gottesdienst zuhause und richten dafür feste Zeiten ein. Zwei Andachten am Tage, wenn die Glocken läuten. Und eine längere am Sonntagvormittag. Wir finden dazu genug Anleitungen im Netz, wenn wir das eigene Bibellesen nicht mehr gewohnt sind. Gottesdienst zuhause, er fängt unsere Enttäuschung auf und wandelt sie in neue Kraft. Möge Gott uns dazu helfen, Amen.

(Pastor Ralf Reuter, 19.03.2020; Tel.: 0551-5053786; E-Mail: Ralf.Reuter@evlka.de)

Stillstand, Beten, Helfen

Das Leben in unserer Kirchengemeinde hier in Göttingen ist nun wegen der Ausbreitung von Corona heruntergefahren worden. Gottesdienste und Versammlungen von Gruppen sind verboten. Wir haben unser Tagungshaus, das Merckerzentrum, unser Gemeindehaus, unsere KiTa und unsere Kirche geschlossen. Nur der ambulante Pflegedienst versorgt seine Patienten. Die Büros sind ebenso weitgehend zu, eine Notbesetzung hält die Gebäude und die Grundstücke lebensfähig. Das Gemeindebüro ist für Publikum geschlossen, die Menschen erreichen uns nur noch per Telefon und Mail. Als Pastor bin ich telefonisch mit vielen Menschen in Kontakt. Taufen und Trauungen sind bis auf Weiteres ausgesetzt, Beerdigungen finden nur noch in kleinem Familienkreis am Grab statt. Der Trauerbesuch wird durch Telefongespräche ersetzt. Was können wir noch tun? Wir können beten. Beten für andere, für diejenigen, die erkranken, für uns alle, dass wir gesund durch diese Krise kommen. Beten, dass alle versorgt bleiben. Beten für diejenigen, die jetzt stark gefordert sind, Pflegekräfte, ärztliches Personal in Kliniken und Praxen, Notdienste aller Art, die Mitarbeitenden in Supermärkten und Apotheken. Beten auch für die Kinder, die nun zuhause sind, für ihre Mütter und Väter, und auch für die Großeltern, die nun nicht besucht werden dürfen. Beten für Wissenschaftler und Forscher, Leitende in den Verwaltungen, in der Wirtschaft und der Politik. Ja, und ganz bestimmt für alle, die unter starken Einbußen leiden, deren Arbeit bedroht ist, die um ihre Existenz bangen, von der Gastronomie bis zu den exportabhängigen Unternehmen. Es ist wichtig, zu beten. Die Glocken läuten weiterhin, bei uns auf dem Hagenberg um 12 Uhr mittags und um 18 Uhr abends. Zeit, um innezuhalten und sich zu besinnen auf die Lebenskraft von Jesus Christus, der bei uns ist und uns hält. Und wir können von zuhause aus mit allen Menschen in Verbindung bleiben, die wir telefonisch erreichen. Wir können auch für andere, Nachbarn, Freunde, mit einkaufen oder zur Apotheke gehen. Man kann das auch vor die Tür legen, ohne einen direkten Kontakt zu haben. Ja, das ist vielleicht jetzt das wichtigste: Abstand halten, alles nicht Notwendige an direkten Außenkontakten zu vermeiden. Damit auch wir mithelfen, die Infektionen zu verlangsamen, um alle Menschen zu retten, die ernsthaft erkranken werden. Möge Gott uns dazu immer wieder auf seinen Weg der Liebe senden! 

(Pastor Ralf Reuter, 18.03.2020, erreichbar unter 0551-5053786 und Ralf.Reuter@evlka.de)

Die Liebe als der noch bessere Weg

Am Sonntag Okuli habe ich innerlich gelitten. Es war kein Gottesdienst möglich. Natürlich frage ich mich, ob wir hier den Kern unserer Aufgabe, die Verkündigung, aufgeben. Ist nicht der Glaube das Wichtigste? Ja, vom Glauben geht alles aus, davon bin ich überzeugt. Aber hier geht es nicht um den Glauben als Gottesgabe, sondern darum, Gottesdienst zu halten. Er ist aufgrund der Liebe abgesagt worden. Der Liebe zu den Menschen, die in naher Zukunft eine Intensivmedizin benötigen, die nur gewährleistet werden kann, wenn nicht zu schnell sehr viele ernsthaft erkranken. Daher, aus einer vorausschauenden Liebe heraus, wollen wir uns jetzt lieber nicht begegnen, auch nicht im Gottesdienst. Auch nicht auf Abstand, denn auch dadurch nehmen viele mehrere soziale Kontakte wahr, begegnen sich ja doch. Es ist die Liebe, die hier unabhängig von guten Traditionen und wichtigen Gewohnheiten das jetzt Gebotene tut. Und das heißt, aus Liebe zuhause bleiben. Paulus beginnt sein Hohes Lied der Liebe mit einer Einleitung, die ganz am Ende des 12. Kapitels des 1. Korintherbriefes steht: „Und ich will euch einen noch besseren Weg zeigen.“ Dieser noch bessere Weg, jetzt erforderlich und geboten, ist die Liebe. Sie allein zeigt uns in diesen Zeiten den Weg des Handelns. Das gilt gerade dort, wo wir viel lieber etwas ganz anderes tun würden. Das gilt auch für mich, der ich an unseren Absagen der Gottesdienste leide. Es ist wahrlich jetzt Passionszeit. Doch die Liebe ist größer. Die Liebe, die immer schon von der Auferstehung, von Ostern her lebt und handelt. Was bleibt uns nun in diesen Zeiten von Corona? Paulus antwortet mit seinem erhellenden Wort: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ (1. Kor 13, 13)

(Ralf Reuter, Pastor der Friedenskirche Göttingen und Pastor für Führungskräfte der Wirtschaft im Haus kirchlicher Dienste der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, Göttingen, den 15.03.2020.)

Die Liebe in den Zeiten von Corona

Und plötzlich ist alles anders. Händeschütteln, Ausgehen, persönliche Treffen, Konzerte, Sportevents, selbst Gottesdienste werden problematisch. Noch steigen die Fallzahlen eher in anderen Städten, doch auch hier fallen die Aktien, stornieren die Menschen, unterbleiben die Besuche, leeren sich die Regale, bekommt die Tafel weniger ab. Es wird Zeit, sich wieder neu auf die Liebe zu besinnen. Eine Liebe, die nicht abhängig ist von Formen und Konventionen. Eine Liebe, die klug und warmherzig das Richtige zur rechten Zeit macht. Die das Leben von Risikogruppen durch eigenes Verzichten schützt. Die jetzt viel mit der eigenen Familie spricht, und mit anderen Menschen über Telefon, Skype, Mail und Netzwerken kommuniziert. Die solidarisch ist mit denen, die wirtschaftlich ums Überleben kämpfen. Die neue Ideen entwickelt, um aktives Leben zu ermöglichen. Die Mut zuspricht allen, die medizinisch das Notwendige tun. Selber zu Seelsorgerinnen und Seelsorgern werden, von der Liebe leben, und kreatives Gestalten neu einüben. Darauf kommt es doch jetzt an, in diesen Zeiten von Corona. Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit (2. Tim 1, 7).

Ralf Reuter, den 10. März 2020. Vorgesehen als Andacht im Göttinger Tageblatt am 14.03.2020. (Pastor für Unternehmensleitungen und Führungskräfte der Wirtschaft im Haus kirchlicher Dienste der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers und Pastor der Friedenskirche Göttingen)